14.12.03 Philipp/ Micha
First Sight! Land in Sicht!. 20 Seemeilen entfernt. Die Wizard of Oz
(ein feindliches Schiff) kommt mit Macht von hinten auf. Wir kämpfen
gegen an und versuchen deren Segelstellung zu kopieren. Was die bei
geschätztem Flachwasser aufgezäumt haben, versuchen wir bei drei Meter
Welle und 20 Knoten Wind. Das Ergebnis: Ein lustiges Rodeoreiten mit
drei Mann auf dem Vorschiff. Wir werden das Gefühl nicht los, uns mit
dieser Slapstickeinlage blamiert zu haben. Schätze, wir sind das
absolute Highlight der Überfahrt der Wizard of Oz. Unser Finish kommt
uns wie ein Deja Vu vor. Die Finishing Line, nur einige hundert Meter
entfernt, zu erreichen, entpuppte sich als ein äußerst delikates
Unterfangen, ebenso wie damals das Startmanöver: Sie will partout nicht
näher rücken, denn wir müssen gegen den Wind aufkreuzen, was wir die
letzten 2700 Seemeilen noch nicht geübt haben. Nach unzähligen, nicht
ganz sauberen Wendemanövern, hat das Zielschiff erbarmen und drückt auf
die Signalhupe, damit sie das Desaster nicht länger ertragen muss.
Vereinzelt hören wir jemand klatschen. Wir glauben, es tönt etwas
mitleidig. Der Zielfotograph in seinem Dinghi ermuntert uns, zum
Zusammenrücken für das Fininshing Foto. Er wundert sich wohl etwas,
über den bedröppelten Eindruck, den die geschaffte Crew auf seiner
Linse hinterlässt. Die Einfahrt in die Marina ist umwerfend. Gott sei
Dank, es gibt doch noch Land. Es ist surreal und unbeschreiblich nach
drei Wochen Wasser, Welle und Wind den Fuß auf den Steg zu setzen. Sue,
von der ARC Leitung empfängt uns mit dem Anfang vom Ende: Rum Punch.
Danke Sue! Der knallt nach dem Frühstück richtig gut. Unter Rum Punch
Einfluss machen wir uns auf dem Weg zur ersten Erkundungstour. Carribean
flair. Rastamen all over. Ja, rispect man everywhere. Im Hafen fährt
ein Schaluppe rum mit Flaggen aller erdenklicher Nationen und verkauft
Coconuts, Seashells und Dope. Der Name der Schaluppe: Just a happy
floating market. Mit unserem Dinghi geht's weiter durch das gepflegte
Hafenvorbecken, mit Rum Punch. Die Vorgärten der Villen sind drapiert
mit aufblasbaren Polydthylen-Santa-Clauses und Schneemännern. Sie sind
von innen beleuchtet. Weihnachten? Weiter geht`s zur Parigot Bay Beach
Party. Rum Punch. Aus den krachenden Boxen erklingt Wish you where here
von Pink Floyd life! Wenn wir irgendwo anders diese Version so schlecht
interpretiert hören würden, würden wir auf den Absätzen Kehrt machen,
aber wir haben keine Schuhe an. Es ist nur karibisch göttlich... Rum
Punch... Micha wird direkt zur Privat-Party eingeladen. Ihr Name ist
Corinth. Sie ist schwarz wie die Nacht und hat KNOCK OUT auf ihren
Cocosnu_- Hintern geschrieben... noch mehr Rum Punch... Ekkehard rettet
uns wild winkend mit dem Dinghi. Wir wissen, wir kommen wieder.
Gemeinschaftliches Abendessen... mit Rum Punch. Ist gut. Kann man wohl
auch erwarten für 260,00 US Dollar. Ich kann mich nicht entscheiden
zwischen Screaming Orgasm und Long and Slowly, den Cocktails. Zurück in
der Marina treffen wir nur noch Zombies an. Sämtliche Nationen
verschmelzen, zu einem sprachlichem Melting Pot durch den Verlust der
Muttersprache. Das hierfür benötigte Mittel: Rum Punch. Wir sehen
Segler, die rechts und links durch ihre Artgenossen gestützt, ziellos
durch die Hafenanlage geführt werden. Wildfremde Frauen erzählen uns
aus ihrem bewegten Leben, hochinteressante, aber leider völlig
unverständlich Anekdoten. Es muss eine Rum Punch Epidemie ausgebrochen
sein. Hoffentlich steht die Mariana morgen nicht unter Quarantäne. Zu
guter letzt wundern wir uns über den Rastaman, der trotz vorhandenem
Motor, ein Dinghi mit leisen Schlägen und bei rabenschwarzer Nacht aus
dem Hafen rudert. Hey, can we help you?. No, dont worrri abaud mi!. Uns
lässt das Gefühl nicht los, dass wir Zeugen von Piraterie sind:
klassischer Dinghi-Klau. Zurück auf dem Schiff, kann es nur noch eins
geben: Plicht (maritime Außensitzgelegenheiten) polstern und im Freiem
schlafen. Was für ein Rum Punch, gute Nacht!
13.12.03 Philipp
Wir sind auf der Zielgeraden. Wind und Flauten wechseln sich ab.
Vorfreude und Wehmut auch. Ist völlig O. K., dass wir kein Süßwasser,
kein Strom, kein Saft, keine Schokolade, kein Wein mehr haben. (Bei dem
Wein bin ich mir noch nicht so sicher.) Aber dafür gibt’s ´ne Menge
Bier und Fisch…Die Heiterkeit an Bord nimmt zu. Wir freuen uns auf den
ersten Yellow Bird, den Cocktail auf St. Lucia. „Da siehste mal was
fliegen ist“ gluckst Helmar. Die letzte Nachtwache. Nirgendwo ist der
Himmel Näher. Der muss hier draußen geboren sein. Man möchte ihn
mitnehmen. Und die Mengen an Sternschnuppen…wenn das Alles klappt!? Am
Horizont sehen wir den Schein von Port de France auf Martinique. Helmar
mutmaßt „Das ist doch ein brennender Tanker.“ Ekkehard drückt noch mal
wie wild auf der Selbststeueranlage rum: die piepst so schön. Ich
blicke zurück. Schwuchten sind Wanten, Tunts sind Staks und Spunks sind
Schoten und „Passatsegeln heißt mit 600 Liter Diesel losfahren und mit
leeren Tanks ankommen.“, wie Ekkehard sagt. Das Schöne beim Segeln ist
für mich die Einheit von Wetter, Wind, Welle, Wasser und dem Schiff.
Wenn Alles zusammenkommt, ist es ein unglaubliches Gefühl. „Bitte
schön, Deine Stunde perfekte Segelkonditionen.“ Das geht in den Magen
und die Blutzirkulation wird zeitweilig gegen Adrenalin ausgetauscht.
Ich werde wieder rausgehen. Das ist sicher. Und meine Mitstreiter? Der
Skip, der alte Morgenmuffel, er hat mir geduldig viel beigebracht. Der
Micha, my brother in crime, sowieso. Der liebenswerten Lothar, der
einen verbeulten Kopf als Trophäe mit nach Hause bringt, weil er
immer überall dagegen stößt. Thilo, der Vorzeigesegler. Wenn alles
klappt, segelt er mich zum SKS Schein im kommenden Jahr. Der Helmar,
König des Understatements. Respekt! Der Ekkehard, kulinarischer und
nautischer Enthusiasmus in einer Person. Der „Was gib’s’n heud zu ässn?“
– Ekki
Ich freue mich auf den Weihnachtsmarkt!
12.12.03 20.Tag
Biss, Biiiis! Schon wieder Fisch. Um 09.00 pünktlich kommt wieder der
Fischhändler vorbei. Wir holen ein Prachtexemplar aus dem Wasser, und
das bei voller Fahrt! Wieder eine Goldmakrele, ich glaube wir können
nichts anderes... Diese 5 kg bei 90 cm ergeben 3kg feinstes festes
Filet was wir klassisch (nach Art des Skippers) in Butter braten. Wir
haben das miserabelste Etmal des Törn eingefahren. Ich wage es nicht zu
nennen! Immer wieder ziehen Squalls durch, dazwischen Flaute und
umlaufende Winde. Nur die Dünung, die ist wie im richtigen Ocean. Gegen
Abend endlich Wind! Zwar aus Nordost, aber wir sind zufrieden. Es geht
wieder durch die Nacht mit unserer Geheimwaffe "Bli-Gen" (Kürzel aus
dem Logbuch für Blister+Genua).
11.12.03 19. Tag
Biss, Biss! Wir bekommen Routine: gleich um 09:00 beißt wieder eine
wunderschöne Goldmakrele. Diesmal etwa 4 kg schwer und 70 lang. Das
gibt zu ersten Mal heute Sushi! Deprimierendes Flautensegeln! Wir
müssen uns ständig erinnern, das wir in den Passatwinden segeln. Nur
den gibt´s hier nicht. Winde aus Süden, alte Welle aus Süd-Ost neue
Dünung aus Nordost machen uns das Leben schwer. Die Segel schlagen
trotz 15 kn Wind so sehr, dass wir Angst um unser Rigg haben. Kommt eine
Welle, fällt der Blister ein, um dann wenn die Welle unterm Schiff
durchrollt mit einem explosionsartigen Knall sich wieder zu füllen.
Heute Abend gibt es dafür ein Festmenue: Sushi satt, in allen
Variationen stillecht im Tang-Mantel mit Wasabi, Takajabi-Sauce und
Soja. Anschließend Fischtopf Zazuela mit Kartoffeln. Ich wundere mich
selbst, wie wir das bei einem unmöglichen Seegang verkeilt in der
Kombüse gezaubert bekommen.
11.12.03 Philipp
Ich krieg Bordkoller. Das klingt zwar weder spektakulär noch
spannend, aber mir ist langweilig. "Mama, wann sind wir endlich da?" So
kurz vor dem Ziel wird, halt ich es kaum noch aus… Das Gefühl wird noch
verstärkt durch eine totale Flaute. Thilo formuliert es passend:
"Hoffentlich bald wieder auf der Ostsee, da geht hin und wieder mal die
Post ab!" Na gut, dann geh ich mal an den "Strand", vorne aufs Schiff.
Auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, dort noch jemand anderen
anzutreffen. Highlight 1 des Tages: Der verzweifelte Versuch, den
Spinnaker zu setzen, ein überaus großes Segel, welches sogar dem
Skipper Angst macht. Thilo, Micha und ich spielen die Helden. Der Rest
der Crew guckt von Achtern (von Hinten - das weiß ich mittlerweile!)
aus zu, wie wir ins Verderben rennen. Sieht Alles ganz gut aus, bis
dann das verdammt große Ding oben ist und den Baum an dem wir es
befestigen samt dem armen Thilo in die Höhe reißt. Huh, was für ein
Stunt. Fehlt bloß noch der Applaus von den Zuschauern. Aber die Jungs
Achtern schütteln nur die Köpfe. Danke! Highlight 2 des Tages: Ein
riesiges Kreuzfahrtschiff überholt uns. Schätze wir sind die Attraktion
des Tages. Die Lautsprecher knacken: "Hier spricht ihr Kapitän, liebe
6367 Rentner, schaun´ sie mal links runter ins Wasser. Wie sie sehen,
sehen sie nichts, außer einer kleinen Nussschale. Das ist ein
Segelschiff mit Idioten, die tatsächlich in so `ner Jolle den Atlantik
freiwillig überqueren. Ha!" Highlight 3 des Tages: Sushi! Ja, wir haben
doch noch einen Fisch gefangen, ach was sage ich ZWEI! Goldmakrelen!
Mitten auf dem Atlantik holt doch "Mmmhhh, läcka"-Ekkehard sein
Reise-Sushi-Pack raus und beehrt uns mit köstlichen Maki- Rolls. Der
Skip guckt komisch: "Wat is´dat dann?" Wir alle: "Och du, das schmeckt
nich´ so gut, lass mal!" Dann gab's noch gebratene Fischfilets und dann
noch Fischsuppe. Folglich liegen jetzt alle mit Eiweißschock in den
Kojen und wissen nicht wohin mit sich…
P.S.: Meine Lieblings- Atlantik-Mucke: Sven van Hees - "Gemini" und
Richard Ashcroft - "Human Condition". Thanx to Bomber and Falco, ya
know hu u r!!!
10.12.03 18. Tag
Auf meiner Wache ab 06:00 tauchen plötzlich etwa 40 Delfine auf. Sie
begleiten uns und scheinen uns zeigen zu wollen, was sie alles können.
Wie Kinder tollen sie um uns herum, tauchen auf, springen schauen immer
wieder, ob wir sie auch beobachten. Sie überholen uns mit einer irren
Geschwindigkeit um dann vor dem Bug auf die andere Seite zu wechseln.
Dabei versucht jeder den Anderen an Schnelligkeit und Eleganz
zu überbieten.
09.12.03 17. Tag
Heute fahren wir unser Rekord-Etmal: 159 Meilen! Seid 48 Stunden segeln
wir ununterbrochen mit Blister und Genua (220 qm). 13:20 Durch
ARC-e-mail erhalten wir Nachricht, dass 100 Meilen nördlich ein Schiff
havariert ist. Das ganze Rigg ist von oben gekommen. Das ist bitter,
600 Meilen vor dem Ziel wird er das nicht ohne fremde Hilfe schaffen,
soviel Diesel um zu motoren hat keiner! Drei Schiffe sind in der Nähe
und werden zu Hilfe eilen. Biss, Biiss! schreit plötzlich jemand wild
im Heck. Zunächst können wir nicht so recht einordnen, ob er etwa beim
Duschen auf der Plattform gebissen worden ist. Biss, Biss! er zeigt
wild auf die Angel, die sich verdächtig wagerecht nach hinten biegt.
Jetzt springt Dirk an die Rolle, wir fieren die Schoten, um Fahrt aus
dem Schiff zu nehmen und können gar nicht glauben, dass sich ein Fisch
an unsere 200m - Angel verirrt hat. Tatsächlich bekommen wir eine
schöne 60 cm lange Goldmakrele aus dem Wasser. Mit dem großen
Fischhaken ziehen wir den 2,5 kg schweren Kerl an Deck. Unser erstes
Fischessen!
09.12.2003 Philipp
Ich wache auf und erschrecke mich sehr. Ein neues Crewmitglied! Ich
komme schwer ins Grübeln. Thilo lüftet das Geheimnis: "Schau nur, die
gelb, grün, blau geschundenen Beine. Das muss der Ekkehard sein!"
Wahrhaftig, frisch rasiert sieht er ungewöhnlich kultiviert aus. Die
hintere Bordtoilette ist mal wieder außer Kraft gesetzt und wird von
außen verriegelt. Das bekommen alle mit, nur nicht Helmar. Der steht
´ne geschlagene halbe Stunde davor und brummelt: "Mensch Lothar, mach
hinne! Was schraubt der denn immer so lange an seiner Wurst rum?" Die
Tage sind heiß - was das Wetter betrifft. Die Karibik ist spürbar näher
gerückt. Unser GPS zählt schon die Stunden rückwärts - 98! Samstag,
wenn alles glatt läuft, sind wir da. Ich döse den ganzen Tag.
Verschlafe meine Wache. Duschen ist eine Wonne. Wir lassen die
Badeplattform runter, schnallen uns fest und lassen die Beine baumeln.
Der Thrill ist, dass hoffentlich kein Hai anbeißt. Mit dem Eimer am
Tampen holen wir Salzwasser rein. Mist, mein Duschgel habe ich gerade
versenkt. "Micha, leih mir mal deins!" Ops, jetzt muss sich Micha auch
noch sein Duschgel von jemand leihen. Wir machen richtig gut Fahrt.
Einige, hier namentlich nicht erwähnt, feiern unser stetes Vorankommen:
Sie trinken. Frönen dem endlich wieder gefundenen, streng rationierten
Rotwein. Gestern Nacht dann wache ich von dem Gefühl auf, dass wir
ungewöhnlich schnell durchs Wasser rauschen. Ich wähne uns schon wieder
bei unserer Lieblingsbeschäftigung: Blistersegel aus dem Wasser
fischen. Raffe mich auf und siehe da, Ekkehard steht breitbeinig am
Heck, wehendes Haar, Flimmern in den Augen: "Wir fliegen! Wir
fliegen!". Helmar pflichtet ihm bei "Ja, ja, ja!" Sind jetzt alle
verrückt geworden, oder sind das nur die Nachwirkungen bei den
namentlich nicht erwähnten Mitgliedern des Feiergelages? Vielleicht
liegt es auch nur am taghellen Vollmond. Alle schlafen unruhig und
gemeinsam beobachten wir ein unglaubliches Naturphänomen: Ein
Regenbogen bei Nacht, ein Mondbogen! Thilo hat heute Geburtstag. Micha
bittet den Skip um den versteckten Kuchen, Kerzen und Smarties. Der
Skip ist lange weg. Sehr lange. Micha findet ihn, seinen Hintern aus
der tiefsten Kiste unterm Bett hervorguckend. Das Vorschiff geht unter
im Chaos. Die Matratzen sind herausgerissen, es sieht aus wie nach
einem Orkansturm. Skip schwitzend: "Ich find ihn nicht mehr!" "Sag mal,
von der Logik her hätte ich es einfach unter'n paar Pullover gepackt."
sagt Micha und erntet stutzende Blicke. Ein Griff zwischen die Klamotten... Kuchen, Kerzen und Smarties! Thilo freut sich.
08.12.03 16. Tag Ekkehard
Nachtrag zum Logbucheintrag vom 06.12.03:
nach z.T. heftigen, kontroversen Kommentaren aufgrund der - zugegeben,
recht pathetischen und metapherreichen - Betrachtung über das Wesen der
Atlantikwelle als solche und ins besonders als eigenständiges Individuum,
fühle ich mich berufen, dem geneigten Leser zu versichern, dass mein
geistiger Zustand k e i n e s f a l l s durch z.B. Sonneneinwirkung,
hohe Geschwindigkeit oder Rotweinentzug Schaden genommen hat. Vielmehr
war ich beseelt von dem Gedanken, das tiefe Innere, den Charakter und
die eigentliche Größe des Oceans zu beschreiben. Diese Richtigstellung
erfolgt von mir völlig freiwillig und ohne Zwang. Die Androhung der
Mannschaft, bei Wiederholung solcher tiefsinnigen Texte, mich nackt an
den Mast zu binden und zu knebeln, hatte keinerlei Einfluss gehabt.
Ooooh, - gerade geht eine "Jungfrau"- Welle unter uns durch. Eine
Welle, so weich, so nachgiebig, so anpassungsfähig und großherzig wie
nur eine Jungfr-----------------mmmmpffff - nein, - nein, nicht, -
nicht an den Mast binden. Mmpffff- nein, bitte keinen mmmpfff- Knebel -
mmmmppfffff.
mmmmpfffff Ekkehard mmmmpfff.
08.12.03 16.Tag Ekkehard
16 Tage auf See. Kaum einem von uns wird so richtig bewußt, das dies 16
Tage ohne Nachrichten, Fernsehen, ohne festen Boden unter den Füßen
waren. Uns fehlt nichts. Natürlich würden wir uns freuen, wenn mal ein
Fisch nicht nur anbeißt, sondern auch anschließend sich überreden
ließe, uns an Bord zu besuchen (für immer). Für den nächsten Fall haben
wir nun eine schussbereite Harpune bereitgelegt. Die Bordbäckerei läuft
täglich auf Hochtouren. Auch an den leerer werdenden Vorratsschaps
merken wir, wie lange wir schon unterwegs sind. Vielleicht fehlt mir
ein Espresso in einem Straßencafe. Oder ein 4 cm dickes Steak...
Noch fehlt uns fast nichts.
Ekkehard.
07.12.2003 Philipp
Es wird tropisch. Wassertemperaturen von 24,6°. Die Sonne strahlt und
wir haben wieder Wind. Endlich! Zwei Tage unter Motor machen Mürbe,
ähnlich wie die Cola den Helmar. Er reibt sich die Sonnenmilch schon
unter die Achseln. Wo sind bloß die Weinflaschen? Wow, Delphine
begleiten uns auf unserem Kurs westwärts. Die Zeichen stehen gut. Wir
haben zwei große Segel gesetzt. Wenn man sich drunter legt und nach
oben schaut, sehen sie aus wie ein Hintern. Sehr ästhetisch und sehr
sexy. Mütter packt die Schlaftabletten weg, Frauen reduziert das
Rauchen wieder auf zwei Packungen. Uns geht's gut! Wir holen auf und
schließen Wetten auf den Ankunfts-Tag und Zeit ab. Samstagabend wollen
wir mit den Kreolinnen Salsa tanzen. Ach ja, Nikolaus! Fällt schwer
eine weihnachtliche Stimmung aufkommen zu lassen. Micha packt eine Tüte
Lebkuchenherzen aus seinem Seesack. Die sind allerdings nicht mehr als
solche zu erkennen. War nett gemeint. Aber sie duften zumindest nach
Weihnachten. Mmmmhh… Die Menge an überreifen Bananen ist nicht zu
bewältigen. Lothar sieht mit Tränen in den Augen zu, wie wir sie der
See übergeben und die Fische lachen uns aus - wegen des eigenartigen
Köders. Wir geben nicht auf! Uns giert nach Fisch. Allmorgendlich
werfen wir die Angel aus. Mittlerweile haben schon fünf dicke Fische
ihr Spielchen mit uns getrieben. Jedes mal, wenn wir Sie fast an Bord
haben, reißen sie sich mit kunstvollen Zuckungen von der Angel; nehmen
in drei Fällen sogar den Haken mit: "Guck mal" sagt der große
Papa-Fisch "mein neues Piercing!" Es bleibt wohl beim Corned Beef. In
der Not sehe ich Double- Whopper mit Bacon und Käse in irgendwelchen
Wolkenformationen. Ob es auf St. Lucia ein Burger King gibt? Es gibt
aber auch Momente, die lassen sich nur schwer in Worte oder Bilder
fassen. Der Sonnenuntergang vorgestern war so einer. Die Strahlen der
orangefarbenen Sonne schießen zwischen den Wolken, den Himmel entlang.
Gottesfinger in einer derartigen Größe und Intensität habe ich noch nie
gesehen. Links und rechts eingebettet von Gewitterwolken. Kathedralisch!
Die Crew sitzt auf dem Schiffsdeck verteilt, jeder in sich versunken.
P.S.: Habe die suche nach den Micro-Kameras aufgegeben. Gut versteckt,
Jungs!
07.12.03 15. Tag
Wir rauschen seit den frühen Morgenstunden unter Genua und Blister auf
260° gen Westen. Unser zweitbestes Etmal bestätigt uns, wir holen auf.
Noch 850 Meilen bis St. Lucia!!! Heute haben wir wieder die Uhr um eine
Stunde vorgestellt. Der Tag hat nun 25 Stunden.
14.00 (Bordzeit=UTC-2h): Ein tropisches Gewitter mit Platzregen kühlt
uns auf 25° ab. Das Wasser hat mittlerweile 24,9°. Das letzte frische
Gemüse werden wir heute kochen. Wieder hat ein mindestens 1 m langer
Fisch gebissen. Wieder ist er uns entwischt. Die Haken die wir verwenden
werden immer größer!
Ekkehard.
06.12.03 14. Tag Ekkehard
Heute segeln wir wieder. O. K, das machen wir seit 14 Tagen, aber nach
zwei Flautentagen fühlen wir uns wie eine losgelassene Herde junger
Pferde mit unserem Blister oben. Und es rauscht wieder unterm Kiel. Und
das ist gut so.
Wir fahren wieder in die Nacht. Mit Blister. Der Vollmond taucht alles
in ein gleißendes fast unnatürliches Flutlicht. Unaufhörlich laufen die
Wogen von hinten auf das Heck zu, um gurgelnd darunter zu verschwinden.
Eigentlich habe ich von diesem Törn erwartet, die gigantische Weite des
Ozeans, des Himmels und der Elemente kennen zu lernen. Keine dieser
Superlativen habe ich gefunden. Hier verschmilzt alles zu einer ganz,
ganz kleinen Welt. Nicht die Weite des Oceans ist bedeutend, sondern
schon eine jede einzelne Welle.
Man kennt sich.
Hat doch jede ihren eigenen Charakter. Im Mondlicht wie Quecksilber
rollt die eine an, forsch, majestätisch wie ein Löwe - zu selbst bewusst
um nur einfach zu verschwinden. Arrogant und unwirsch scheint sie das
Heck wegschieben zu wollen. Dann wieder eine mit dem Wesen einer Waage,
ausgleichen zu wollen, unauffällig einfach vorbei laufen. Dann ein
Steinbock oder vielleicht ein Widder? Mit dem Kopf durch die Wand! Mit
einem Platsch läuft sie auf das Heck auf. Und das, das muß ein Skorpion
sein: extrovertiert, feinsinnig und empfindsam möchte sie das Boot nur
berühren. Weiter entfernte Wellen scheinen warten zu wollen, bis sie an
der Reihe sind.
Man kennt sich.
Auch der Sternenhimmel gehört zu dieser vertrauten kleinen Welt. Wie
die Eiche vor dem Küchenfenster. Statisch, unbeweglich, vertraut. Das
sind m e i n e Sternbilder. Ich kenne sie nicht mit Namen, und doch
kenne ich sie alle. wie die Eiche vor dem Küchenfenster.
Man kennt sich.
Ekkehard.
06.12.03 14. Tag
Jetzt ist es bewiesen: E s g i b t k e i n e n N i k o l a u s a u f d
e m A t l a n t i k !!!
Fein säuberlich haben wir gestern Abend unsere geputzten Stiefelchen
außenbords geworfen. Und - heute morgen waren sie weg...
05.12.03 13. Tag
Unser zweiter Tag mit Flaute. Unsere Taktik, die Nordroute zu wählen,
hat sich als falsch erwiesen. Im letzten Jahr war der Passat so stark,
dass er hier für die gleichen Windbedingungen gesorgt hatte wie auf der
200 sm längeren Südroute. Auch der mit 0.5 bis 1,5 kn "schiebende"
Strom fehlte nicht. Dominante, weit nach Süden reichende Azoren-Hochs
sorgen dieses Jahr für Passatstörungen und groteske Wetterbedingungen,
wie wir sie erleben. Wir haben gepokert - und kann nicht immer
gewinnen. Rien ne va plus.
Windstille. So stellen wir uns die berüchtigten Kalmen vor (breiter
Gürtel absoluter Windstille im Äquatorbereich) hier dümpelten früher
die großen Segler oft wochenlang in Windstille herum. Die gekalkten
Speisekammern waren bis auf die letzten Brotkrumen leer gefegt und
selbst die Ratten wurden gejagt. Das Wasser war faul und täglich ging
einer über Bord. - Ja, ja und jetzt geht die Fantasie mit uns durch...
10:00 Uhr. Es setzt eine leichte Dünung aus Nordost ein. Das lässt auf
einen Wind aus dieser Richtung schließen. Noch aber regieren die
lokalen Squalls. Zwei davon haben Windhosen, die wild schlängelnd und
weiß schäumend ins Meer münden. Das ist Film reif. Kurze Böen, heftige
warme Regenschauer und totenstille See wechseln sich ab - wenn da nicht
das Flapp-Flapp der Segel wäre... Morgen ist Starkwind angesagt. Den
haben wir bitter nötig, allein schon für die Moral.
13:00 Uhr, Wir hören in der ARC-Funkrunde, der Volvo-Ocean-Racer Spirit
hat in einer neuen Bestzeit St. Lucia erreicht, toll. Und: es soll
morgen Starkwind geben!
17:00 Uhr. Der Nordost ist da! Wir können es nicht glauben: etwas
zögerlich, wie eine launige Diva. Schnell einen guten Schluck Carlos I
dem Gott des Windes geopfert und die Segel hoch!
17:30 Uhr. O. K. alles andere hätte uns gewundert: Der Wind ist wieder
eingeschlafen. Um uns herum die wildesten Tiefs, wir mittendrin mit
unserem Flapp-Flapp.
19:00 Uhr. Sonnenuntergang. Wie auf einer gigantischen Bühne wird er zelibriert. Vor der Kulisse der wilden tropischen Wolken in immer
schneller werdenden Akten brennt sich die Sonne langsam in den
Horizont. Himmelsfinger zerschneiden die vibrierende Luft. Wie von
einem schlechten Bühnenbildner ist das Blau des Himmels im Osten
mittlerweile zu einem Lila verkommen. Dort, genau dort wo die Sonne nun
eintaucht liegt St. Lucia.
Und - jetzt ist er doch da: Er, ja E r der Nordost.
Mit dem Segel setzten warten wir allerdings diesmal noch eine halbe
Stunde...
04.12.03 12. Tag Ekkehard
Seit heute Morgen herrscht Flaute. Eigentlich gibt es das hier gar
nicht. Ölig glatte See, ein wenig Restdünung die - so lang gezogen -
den Atlantik noch ahnen lässt. Die letzten Positionsmeldungen geben uns
den Rest. Wir sind frustriert. Dieses Schiff ist als künftiger
Weltumsegler für Schwerwetter gebaut, bei Leichtwind sind wir
hoffnungslos unterlegen. Seit Mittag kommt der wenige Wind sogar aus
Süd-West (!!!!), und das in der Passatzone. Tiefschwarze
Gewitterfronten entstehen, regnen sich heftig ab, bringen aber keinen
Wind. Mehrfach reffen wir flappende, schlagende Segel, um sie nach
kurzer Zeit wieder flappend und schlagend auszureffen. Wo sind die
stetigen 6-9 Bft Wind der letzt jährigen ARC? So schnell lassen wir uns
aber nicht unterkriegen: für morgen haben wir Wind bestellt - so viel,
dass die Andern reffen müssen... Ekkehard.
Sprüche des Tages:
Philipp: "Ich geh heute an den Strand, wer kommt mit?" Helmar: "Ich muss
heute dringend noch zur Post" " Wer hat meinen Autoschlüssel gesehen?"
Thilo: "Ich hab´ Lothar erwischt, mit dem halben Oberkörper im
Süßigkeitenschapp" " Wenn´s jetzt noch heißer wird, schlüpfen die Küken
im Eierschapp unter der Sitzbank." - "Lecker, dann gibts Stubenküken an
Banane." Lethargie. Es ist Flaute. Der Motor brummt. Die einen suchen
die vom Skip versteckten Weinflaschen, die anderen die letzten Winkel
an Bord, die noch nicht abgefilmt worden sind. Ich suche weiterhin die
Mikro-Kameras. Zeit zum Lesen, Sonnen, Dösen, die Badeplattform
herablassen und die Füße baumeln über 5000 Meter Wasser. Es sind ganz
kleine Dinge, die einen beschäftigen. Wieso beißen die Fische nicht an?
Hoffentlich kochen Thilo und Micha nicht schon wieder Kartoffeln an
Möhren. Wie sieht eigentlich das kleine Klabautermännchen aus, das
einfach alle möglichen Dinge von Bord verschwinden lässt? Wieso gärt der
Bauernbrotteig wesentlich schneller und höher, als der vom Vitalbrot.
Helmar: "Wollen wir den Backofen ausschalten, oder sollen wir das Brot
mal 'ne Nacht durchbacken?" Schöne, kleine On-Bord-Welt! Nur Ekkehard
steuert den disziplinären Auflösungserscheinungen entgegen: Er tritt in
voller Segelmontur, man will sagen overdressed, seine Wache an... bei
null Wind und 25° Celsius. Platz 153 - waren wir anfangs noch voller
Siegeswillen, bereit uns ins Rennen zu stürzen, haben die täglichen
Positionsmeldungen von Caroline, Michas Freundin, Realismus einkehren
lassen. Aber damit auch eine gewisse Gelassenheit. Die Überlegungen,
ein Segelmanöver zu fahren, dauern länger. Ich hol' lieber erst mal
Zahnseide, um den Baconrest zwischen dritten und vierten Backenzahn
unten links zu beseitigen. Oder der Skipper schläft. " Weck du ihn, um
zu fragen, ob wir das Blister Segel setzen dürfen!" " Ne, mach du" "
Ach komm schon, ich hab' ihn letztes Mal geweckt." Nach einer guten
Stunde haben wir uns geeinigt: " O. K., wir lassen ihn schlafen!" Mal
Hand auf´s Herz: Hinter´m Ruder steht keiner mehr voller Elan. Die
Selbststeueranlage hat sich als zuverlässig erwiesen. Led Zeppelin's "Stairway
to Heaven" dröhnt aus den Boxen. Ist doch angenehm!
03.12.2003 Philipp
Mir ist mulmig zumute. Wir haben seit einer Woche keinen anderen Segler
mehr gesehen. Ich hege eine schwerwiegende Vermutung: Wir sind allein
unterwegs! All der Bohei auf Gran Canaria ist nur zu einem Zweck
inszeniert worden, uns zu foppen. Und es hat geklappt. Wir Deppen haben
uns tatsächlich auf den Weg gemacht. Jetzt verstehe ich auch, warum die
Vorträge zum Thema Atlantiküberquerung so einschläfernd waren. Unsere
komplette Crew saß in der letzten Reihe, während Chris Tipps, der
Navigator schlechthin, dermaßen monoton monologisiert hat, bis wir
zusammen ein Sägewerk abgegeben haben. Klar, dann haben sie
konspiriert... All zu sehr erinnert mich unser Vorhaben an Big Brother mit
anderer Firmierung - "The Crossing". Aber jetzt ziehen wir's durch,
jetzt erst recht. Ich melde mich, wenn ich die Micro-Kameras ausfindig
gemacht habe. Oder sind wir doch nur auf dem falschen Kurs?
02.12.03 10. Tag auf See Ekkehard
06:00 Uhr, Schwere See. 4-5 Meter Welle lässt einen Blistereinsatz nicht
zu. Wir sind in der Position weiter zurückgefallen, wir waren noch zu
weit Nord. Seit heute geht es endgültig auf Direktkurs. Am Mittwoch
gegen 16:00 haben wir 1400 Meilen geschafft. Bergfest! Wir freuen uns
wie wenn Weihnachten wäre. Hoffentlich lässt das Wetter unser geplantes "Festmenue" zu. Unser Etmal der letzten 24 Stunden: 138 Meilen. Damit
sind wir nicht zufrieden! 15:00 wir haben heute Wäsche gewaschen, mit
Süßwasser! Leider bekommen wir wieder einmal keine gute Verbindung über
UKW via USA ins Internet. Immer wieder bricht die Verbindung ab. Und
wir warten doch alle sehnsüchtig auf Mails aus der Heimat.
Ekkehard.
03.12.03 11. Tag auf See
Der Wind ist auf Südost gegangen. Wir haben gut Fahrt gemacht, heute
Nacht. Die Wache 2 hat zu ersten Mal seit sieben Tagen einen Segler am
Horizont gesehen. Das war eine Überraschung, wir sind nicht ganz
allein. Die See ist heute Morgen bleiern schwer. Die Sonne schafft es
nicht durch die geschlossene Wolkendecke zu brechen. Dennoch, die
Faszination des Wassers bleibt. Jetzt habe ich auch die Farbe. Die Farbe
des Wassers in der sich brechenden Atlantikwelle. Es ist ein
Smaragdgrün, ein Topasgrün in allen Fassetten. Selbst heute. Ich wurde
gerade in den Mast gezogen. Zunächst filme ich den Masttop, damit mit
auf dem Monitor in Ruhe die Schäden analysieren können. Dann mache ich
natürlich auch für unseren Film heiße Aufnahmen bei 7 kn Fahrt aus 18 m
Höhe!!! Ich komme grün und blau wieder an Deck, aber es war´s wert! Es
ist genau 16:25 als wir unser Bergfest feiern. Bei gut 7 kn Fahrt
stellen wir fest, wir sind nicht die allerschnellsten, aber die
lustigsten.
Ekkehard.
01.12.03 9.Tag auf See Ekkehard
00:05 lt. GPS haben wir haben soeben die ersten 1000 Meilen abgesegelt!
Ich übergebe die Wache und schlafe in meiner Koje sofort ein.
Theoretisch haben wir pro Tag 8 Stunden Schlaf, 8 Stunden Wache und 8
Stunden Bereitschaft. Wie gesagt, theoretisch. Die Killerwachen der
letzten Tage haben diese auf 2 Stunden reduziert. Wir sind im
Passatstrom!!! Wir sichten viele kleine Wolken am Himmel mit kleinen
Schildern mit der Aufschrift: Passatwind, rechts abbiegen" (dies war
die Antwort eines Wetterdozenten des ARC auf die Frage eines
schottischen Seglers woran man erkenne, wann man im Passat segelt!
Ekkehard
30.11.03 8. Tag auf See
Das Satellitenwetter sagt uns 30 bis 35 kn Wind (7 Bft) in Squalls
(kleine lokale tropische Wirbelstürme) bis 70 kn, Windstärke 12 und
mehr. Das ist nicht mehr lustig. Morgens um 04:00 bekommen wir einen
Vorgeschmack: urplötzlich Windstärke 7 aus einer pechrabenschwarzen
Wolkenwand. Dann um 14:30 wird es dunkel. Eine schwarze Front jagt uns,
daß wir in 2 Minuten alle (!) Tücher bergen und mit
Sturm-Kutterstagsegel (7 qm) 7-8 kn gigantische Wellenberge hinunter
surfen. Gerade rechtzeitig: wir sehen sie ehrfürchtig Wolken- und
Wasserberge von hinten anrollen. Endlich haben wir den Atlantik wie wir
ihn uns vorstellen. Selbst im einsetzenden strömenden Regen ist dieses
Blau unbeschreiblich. In alle Farbnuancen verwandelt sich das Wasser
als die ersten Sonnenstrahlen den warmen Schauer durchbrechen.
Mehrfache Regenbogen wandern mit uns. Die Schaumkronen der sich
brechenden 5 Meter hoch auftürmenden Wogen glitzern in Augenhöhe in
einem hellen Wassergrün wie kleine Südseelagunen. Wir sind alle tief
beeindruckt von der Gewaltigkeit und Schönheit der Elemente.
17:00 Urplötzlich ist der Spuk vorbei. Es bleibt ein moderater Wind von
4 - 5 Bft. Jetzt kommt wieder unsere Geheimwaffe zum Einsatz. Blister
und Genua. Da sie auf Vorwindkurs wie eine gigantische Blase sich
gegenseitig den Wind einfangen, muss keines der Segel ausgebaumt werden.
Das ergibt stolze 210 qm Segelfläche!! Bis zu 9 kn Fahrt surfen wir die
Wellen hinunter. Endlich machen wir wieder ordentlich Strecke.
Pünktlich zur Killerwache bergen wir das Tuch - ja wirklich, wir bergen
schulmäßig, ohne Bruch! Es wird geklatscht wie bei der Landung eines
Ferienfliegers.
Ekkehard
30.11.2003 Philipp
Ungewöhnlich, wie schnell eine Woche um ist. Ich liege in meiner Koje,
gucke durch mein Aussichtsbullfenster-guckauge und staune über fliegende
Fische. Routine kann nicht einkehren, denn normal ist Nichts hier an
Bord. Ich finde mich hier z.B. am Top eines 18 Meter Mastes wieder.
Dort oben fühlt man sich wie ein Stehaufmännchen, das von einem kleinen
bösen Bub malträtiert wird. Hochgezogen von der Crew, um neue Spunken,
oder so, zu befestigen. Klar als jüngster, leichtester und "denn sie
wissen nicht was sie tunster". Aber die Aussicht und der Adrenalinkick
waren es wert. Was für ein unglaubliches Blau! Helmar spielt am
liebsten Flaschenversenken. Vornehmlich Weinflaschen. Wo er die alle
her hat, ist mir ein Rätsel? Dies ist eine Beschäftigungsform, die
verschiedenste Gestaltungen annehmen kann. Laut Vorgabe Skip dürfen wir
zwar Glas über Bord geben, jedoch nur, wenn diese gefüllt sind mit
Wasser und sinken können. So bindet er z.B. die Flaschen an ein Tau und
lässt diese so lange lustig hinter uns her springen, bis sie sich
halbwegs mit Wasser gefüllt haben. Und dann ab damit. Ich habe es noch
nicht geschafft, ihm eine leere Flasche abzuluchsen. Ich wollte meiner
Tochter doch ´ne Flaschenpost schicken. Lothar kümmert sich liebevoll
und fürsorglich um die 50 Kg Bananen. Die große Staude hängt Achtern
(hinten) und war bis gestern noch grün. In präziser Gärtnermanier deckt
er die Hälfte ab, damit sie langsamer reift als der Rest, Teile werden
herunter geschnitten und unter Deck befördert, brummelnd: "Hey Mr.
Taliman, tali mi Banana...". Doch jetzt haben wir ein Problem:
Urplötzlich haben sich die Bananen entschlossen gemeinschaftlich zu
reifen, was zur Folge hat, dass wir uns im Bananenüberfluß befinden.
Bananenbrot, Bananen mit Honig, Bananen gebraten, Bananenmus, Bananen
mit Orangensaft, Bananen, Bananen, Bananen... Skip Dirks größte Freude
ist diese technische Errungenschaft, die es uns ermöglicht das Logbuch
up to date zu halten - Mail per Kurzwelle. Jauchzend hängt er über dem
Laptop, vor allem wenn er sich über Florida oder Timbuktu einwählt…und
es mal klappt. Da schwellt die Brust. Deasaster-Thilo ist resolut: "Ich
will segeln!" Alle Formen von Windböen, Cyclonen, Squalls und
Sturmwolken zieht er magisch an. Das hatte bis jetzt zur Folge, dass
wir zweimal das Blister-Segeln (ballonförmig und groß) aus dem Meer
bergen mussten und in der Regel mehrmals in der Nacht erwachen. Nämlich
immer dann, wenn Thilo Wache schiebt. Unerklärlicherweise nimmt der
Wind immer dermaßen zu, dass unsere Yacht über das Wasser surft.
Alsbald hört man Michas Ausruf: "Was ist da schon wieder los?!" Thilo
beharrt dennoch weiterhin auf seiner Meinung: "Zum segeln braucht man
Wind!" " Tante Ekkehard" zieht am liebsten mit Segelgarn und Nadel über
Bord. Alles was genäht werden kann, wird kunstvoll umgarnt. So bekommen Caps kleine Bändchen, damit sie nicht davonfliegen, Knoten werden
zugenäht und natürlich das Blister-Segel nach seinem Waschgang. Micha
hasst Nachtwachen. "Sch...,sch.., kann der Kahn nicht wenigsten mal
anhalten, damit ich mein Wetterzeug ankriege?!" Eigenartigerweise
einmal an Deck, ist er den Rest für die Nacht nicht mehr in seine
Kajüte zu kriegen. Ist wohl doch Nachtsegler. Nachts ist das Licht
rationiert, was zur Folge hat, das die ohnehin komplizierten
Toilettengänge zur Kunstform reifen. Der Körper verformt sich in einer
Art, die es einem erlaubt, trotz derben Seegangs Halt an allen
Wandseiten zu finden. Und dann noch entspannen... Jedoch wird man
belohnt, spätestens bei der Spülung, die durch Seewasserpumpen erfolgt.
Siehe da, das Toilettenbecken leuchtet - Meeresleuchten!!!
29.11.03 6.Tag auf See Ekkehard
Die Profi-Regattasegler üben jedes Manöver immer und immer wieder. Wir
auch. Heute Nacht haben wir das
"Blister - explodieren lassen und wieder bergen Manöver" ein weiteres Mal
geübt! Diesmal war es 01:00 Uhr nachts, als nach Durchzug eines Squalls
(kleine tropische Wirbelstürme) unser Blister samt Mastkopfplatte mit
einem lauten Knall in die tosende See ging. Erst kam die Böe, das Boot"
schoss in die Sonne" (ja, so nennt man das auch wenn es mitten in der
Nacht ist!) d.h. aus dem Ruder. Bereits da hatten wir krängungsbedingt
unsere Kojen "verlassen". Wir waren diesmal schon nach 20 sek. an Deck,
so dass wir heute morgen beschlossen, auf weitere Übungen zu verzichten.
Wären nicht diese "Einlagen" verläuft unser Alltag in einem recht
genauen Zeitplan: Frühstücken zwischen 08:00 und 09:00, danach Segel
flicken der "Killerwachen" der vergangenen Nacht. Wetterholen,
Positionen durchgeben und ARC-Funkrunde um 12:00 danach Brot backen der
jeweiligen Freiwache. Alle zwei Tage ist das Badezimmer geöffnet. Das
ist das Vordeck mit einem schwarzen Eimer und einem Tampen zum sichern.
Duschen an Deck mit 22° warmen dunkelblauem Atlantikwasser!!! Das ist
traumhaft. So bleiben die "Indoor-Warmduscher-Bäder" sauber und unser
Süßwasserhaushalt auch. Ab 15:00 kocht die jeweilige Backschaftswache
(Küchenwache) so dass wir um 17:00 spätestens essen können. Um 18:00 wird
es schlagartig dunkel und die Killerwachen sind dran. Heute werden wir
zum ersten Mal die Uhr eine Stunde vorstellen. Wenn wir das zum vierten
Mal machen, sind wir auf der Ziellinie vor Rodney Bay/St. Lucia... Es
ist heute zum ersten Mal richtig heiß und das Wasser wird auch jeden
Tag um 1/2° wärmer. So, jetzt ist es 14:00 und meine Wache beginnt.
Ekkehard.
28.11.03 6.Tag Ekkehard
Neues Rekord-Etmal: 142 sm. Wir hören über Funk, dass das führende Feld
der Racer und Katamarane bei südwestlichen Schwach-Winden "eingeparkt"
haben. Hahaha.... wir holen auf! Unsere Taktik haben wir neu
abgestimmt: nicht nach Süden um schnellst möglichst in den Passatzone zu
kommen, sondern Direttissima!! Vielleicht verblüffen wir damit das
übrige Feld? Wir sind zwar nicht wahnsinnig schnell, aber auf
Direktkurs mit einer steten sauberen Segelleistung. Und meine
persönliche große Schadenfreude: der Maxiracer und DCNAC - Teilnehmer
"World of Tui" auf dem ich beinahe angeheuert hätte, liegt 17 Plätze
hinter uns!!!!!
Ekkehard.
27.11.03 5.Tag
Segel reparieren ist nach dem Frühstück angesagt! Ein paar kleine
Löcher hat die Bergung verursacht. Um 14:15 steht das rote Tuch wieder!
Heute gab es frisch gebackenes Brot! Wir lobpreisen und huldigen die
Aldi-Brüder (Brotbackmischung, kg für -,99 Cent) und machen 1,5 Kg
nieder! Nach dem der Blister endlich steht, bekommen wir die ersten
Meldungen über unsere Position im Feld. Wir sind im totalen
Regattafieber. Wir haben zwar keinen Regatta-Racer, aber wir werfen
unsere Seemannschaft" ins Rennen" In Anbetracht dessen, dass 75
Maxi-Racer und Katamarane vor uns sein m ü s s e n, liegen wir gar
nicht so schlecht.
Ekkehard.
26.11.03 4.Tag
Seit 11.30 steht unser 140 qm Blister bei 14-18 kn Wind. 12:00 Uhr, der
Blister steht! 16:00 Uhr, der Blister steht! 18:00 Uhr, der Blister
steht! Wir fliegen jetzt damit in die Nacht - geiles Gefühl! Dann,
Nordatlantik N 24°57,2´ W 022°07,5´ 21:00 Uhr: bei 20 kn Wind in einer
Böe verabschiedet sich sich die Blase mit einem Kanonenschlag! Wir aus
der Freiwache fallen fast aus der Koje. In weniger als 30 Sekunden nach
dem Ruf "Alle Mann an Deck" stehen wir im Geschirr im Cockpit in dieser
mondlosen Nacht und hasten an den Bug. Es gilt so schnell als möglich
das Tuch zu retten, bevor wir es überlaufen und es sich um den Kiel
wickelt. Schnell haben 4 Mann es geborgen und das Übel lokalisiert: die
Umlenkrolle im Masttop ist glatt gebrochen! Für unsere Geschwindigkeit
an Deck zu kommen, bekommen wir ein extra Fleißkärtchen vom Skipper!
Ekkehard.
26.11.03 4.Tag auf See Philipp
Tiefes, blaues, großes Wasser und kein Zeitgefühl mehr. Alles neu. So
etwas habe ich nicht gekannt. Aber jetzt mal von vorn: Die Farewell
Party auf Las Palmas war der Kracher. Salsa, Chicas und Rum. Arehucas
heißt das Teufelszeug, welches mir in rauhen Mengen verabreicht wurde,
bis mich beim Entleeren nichts mehr auf der Kaimauer hält. Laut Micha
ist mein doppelter Rückwärtssalto ins brackige Hafenbecken einer der
spektakulärsten Stunts, die er je gesehen hat. Ekkehard versenkt
symbolträchtig sein Mobile im Hafen, beim Schuhe binden. Nun gibt es
kein zurück mehr und seine Leitungen zum Geschäftsleben sind gekappt.
Endlich! Tag X. Unser Plan, nen' guten Eindruck auf die Ausflugs- und
Presseschiffe zu machen, geht nach hinten los. Ganz lässig wollen wir
beim Vorbeirauschen ein Blister (großes, ballonförmiges Segel) setzten.
Das Ding geht nicht auf. Muss lustig ausgesehen haben, wie wir mit rot
angelaufenen Gesichtern an der Menschenmenge vorbeituckern. Die Schiffe
drehen ab. Und dann nur noch das große Blau vor uns. Lothar bemerkt
bezeichnend: "Wir müssen auf Ekkehard aufpassen, damit er morgen früh
nicht im Trott Bötchen holen geht!". Die ersten Tage sind geprägt von
schwerer Seekrankheit von fast allen Crewmitgliedern. Mit meinem
Anfängerglück bleibe ich davon verschont und koche Schonkost. Mit den
Tagen erholt sich die Crew. Heute haben alle gut gefrühstückt. Thilo
ist der Meinung, das sei die wichtigste Mahlzeit des Tages... neben den
anderen fünf. Wir überholen einen Segler im rasanten Tempo. Ich
vermute, die Rennleitung hat das Schiff hier geankert, um die Moral der
Crew zu unterstützen. Oh Gott, ein Riss im Großsegel. Micha beruhigt:
"Das nähen die kleinen Chinesen in der Bilge (Schiffsrumpf) wieder
zusammen." Eine wohltuende Routine kehrt ein. Die nächtlichen Wachen
gefallen mir. Das Meeresleuchten zieht eine Bahn hinter uns her.
Sterne, Sterne, Sterne. So habe ich mir das vorgestellt. Wir werfen die
Hochseeangel aus. Der erste Biss ist nicht von schlechten Eltern: Ein
riesiger Katamaran, der hinter uns auf kreuzt. Es stinkt im Salon. Wo
kommt der Gestank her? Jeder verdächtigt den anderen... nur nicht den
Kohl, der vor sich hingammelt. Wir geben ihn zu den Seegurken und
Fischen. Manchmal, ganz selten offenbart sich der Wahnsinn (oder ist es
der Sinn?): Das unglaubliche Blau, die riesigen Wellenberge und 4500
Meter unter mir dringen tief ins Bewusstsein.
25.11.03 4.Tag auf See Ekkehard
00.30 Uhr. Pechrabenschwarzer Himmel von den südlich durchziehenden
Tiefdruckgebieten die uns viel Wind bringen. Über uns steht der
Sternenhimmel wie ein Monument. Wir rasen durch die Nacht und scheinen
uns doch nicht zu bewegen. Es rauscht und gurgelt das Wasser unterm
Kiel. Leuchtplankton verwandelt das Heckwasser in eine fluoreszierende
brodelnde Masse. In unserer 3. Nacht gibt es endgültig keine Mitsegler
mehr zu sehen. Wir sind allein.
Ekkehard
25.11.03 12:00
Heute Nacht gab es zum ersen Mal keine Fremdlicht von Land her. Wir
sind allein mit drei oder vier anderen Jachten auf dem Atlantik. Wir
rauschen mit hochgezogenem Kielschwert bei einem moderaten NW mit 7-8
Knoten Fahrt ü.G. Jetzt können wir unsere Stärken ausleben! Mindestens
drei Boote haben wir heute Nacht überholt.
Ekkehard
24.11.03 12:00
Das erste Etmal (gesegelte Strecke in 24h) ist nicht schlecht: 124 sm!
Wir haben einen ersten Sturm mit bis zu 30 kn wind abgesegelt.
Unangenehme See und unüblicher Wind aus SW lässt Seekrankheit aufkommen.
Philip und ich bleiben verschont. Nachdem nun der Wachplan aushängt,
finden wir in einen 2 (Nachts) bzw. 3-stündigen Wach- und Schlafrhythmus.
Ekkehard
23.11.03
Jetzt geht's endlich raus. Noch einen Tag länger, und wir hätten den
"Hafenkoller" bekommen. Meine Eltern habe ich zum Filmen des Starts auf
ein Presse- und Ausflugsboot verfrachtet. Die Stimmung ist unglaublich
geladen. Um 12.00 Uhr sind alle Molen dich gedrängt mit
Zuschauermassen. An der Hafenausfahrt hat sich das Canarische Fernsehen
postiert. Seit 11.00 laufen nun schon die Boote aus, als erste die
Maxis und die Rennziegen. Wir gehören zu den gemäßigten und lassen uns
Zeit. Aber auch wir laufen um 12.15 unter dem üblichen Nebelhorntuten
aus dem Hafen. Nun nehmen wir Kurs auf das Startschiff, eine spanische
Fregatte. Wir sind etwas irritiert, da der Startschuss für die Racer
eine halbe Stunde früher als geplant fällt! Punkt 13.00 Uhr fällt unser
Starschuss. Wir sind recht weit hinten im Feld, aber wir haben 2750 sm
(5.000 km) um das zu ändern!
St. Lucia wir kommen!!!!!
Ekkehard
22.11.03
Die Spannung steigt stündlich. Gerade kommt unser Gemüsehändler und
bringt uns 200 kg Obst und Gemüse. Eine ganze (grüne) Bananenstaude (55
kg) hängen wir zum Reifen unter die Radarbrücke.
Ekkehard
21.11.03
An der letzten Marinamole wurde eine riesige Bühne aufgebaut für das
große Abschiedsfest heute. Es ist beeindruckend wie sich Las Palmas für
uns Mühe gibt. Abends findet hier ein tolles Openair mit einer
12-köpfigen Flamenco-Band statt. Das Feuerwerk beleuchtet den ganzen
Hafen.
Ekkehard
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